Bericht Studienfahrt Nordindien 2014 (lang)

Fahrgäste der indischen Eisenbahn
20.04.2014

Acht Mitglieder des Vereins unternahmen Ende März/Anfang April 2014 eine Rundreise durch Nordindien. Wir haben die Städte Dehli - Shimla - Jaipur - Agra - Varanasi und Darjeeling besucht. Dank eines ausgeklügelten Programmablaufes konnten wir sehr viele Sehenswürdigkeiten besuchen, darunter natürlich auch das Taj Mahal in Agra. Die Eindrücke, die wir nun haben, sind vielfältig und intensiv. Bei diesem Bericht beschränken wir uns auf die Erlebnisse mit den indischen Eisenbahnen.

Die indische Eisenbahn hat ein Streckennetz von ca. 64.000 km, 1,4 Millionen Bedienstete und befördert täglich an die 20 Millionen Fahrgäste! Ca. 36% des Netzes ist elektrifiziert. Die vorwiegende Spurweite ist 1.676 cm (Normalspur bei uns: 1.435 cm), es gibt aber auch Meterspurlinien, die in einem ambitionierten Programm schrittweise auf Breitspur umgespurt werden, und 2 Schmalspuren; 76,2 cm (z.B. Shimla-Bahn) und 61 cm (Darjeelingbahn). Von beiden letzteren wir gleich die Rede sein.

Es gibt eine Reihe von Zugtypen. Wegen der großen Entfernungen sind die meisten Züge mit Schlafwagen ausgestattet, bei uns in Europa mittlerweile eine Seltenheit. "Duronto"-Expresszüge sind Non-Stop-Züge zwischen den großen Zentren. "Radjani"-Express-Züge verbinden die wichtigsten Städte mit Neu Dehli. "Shatabdi"-Express-Züge sind Intercity-Züge mit Sitzwagen für den Tagesverkehr.

Alle diese Zugtypen haben vollklimatisierte Wagen und die Reisegeschwindigkeit ist für indische Verhältnisse hoch, bis zu 140 km/h. Es gibt auch klimatisierte low-cost-Züge für Reisende, ("Garib Rath Express"), bei denen die Abstände in den Wagen allerdings enger sind.

Die meisten Züge sind aber traditionelle "Expresszüge". Sie haben bis zu 25 Wagen unterschiedlicher Klassen, Schlafwagen 1. Klasse klimatisiert, Liegewagen mit 6 oder 9 Betten im Abteil (klimatisiert). Das Gros der Wagen besteht aus unklimatisierten Liegewagen, es gibt auch Wagen mit Abteilen für Frauen, Militärangehörige und Mobilitätseingschränkte, mit unreservierten Plätzen, sowie Gepäckwagen.

Viele Züge sind reservierungspflichtig und man hat einen sicheren Platz, wenn man eine Fahrkarte ergattert. Wie findet man sich zurecht? Die Namen der Reisenden und die Plätze sind am Waggon oder auf Monitoren angeschlagen. Alle Züge und Wagen sind gut beschriftet und auch am Bahnhof gibt es Leitsysteme, die z.B. die Position des Waggons anzeigen. Solch genaue Hinweise vermisst man z.B. in Italien, wo es keine Wagenstandsanzeiger (außer für die Hochgeschwindigkeitszüge) mehr gibt.

Auf den Bahnhöfen herrscht reges Treiben. Sie sind zu jeder Tageszeit voll von Reisenden, die sich am Boden niederlassen. Die Reisenden der unklimatisierten Wagen werden von fliegenden Händlern versorgt, mit Gemüse, Früchten und Tee zum Beispiel. Viel Stückgut, das verladen wird, steht herum. Pausenlos erfolgen Ansagen in Hindi und Englisch.

In New Dehli besuchen wir das Nationale Eisenbahnmuseum, das 1977 zum 125-jährigen Bestehen der indischen Eisenbahn eingerichtet worden ist. Dort befinden sich auf dem Freigelände eine Reihe von Lokomotiven und Waggons, manche leider in einem etwas desolaten Zustand. Zu sehen sind unter anderem die "Fairy Queen", eine Dampflok aus dem Jahre 1855, Salonwägen diverser Maharadschas und der Herrscher aus der Konolialzeit. Interessant auch, die indische Variante eines Schweizer Krokodils, einer Güterzug-Elok anzutreffen, gebaut für Indien in Winterthur.

Um von Dehli aus die Station Kalka zu erreichen, von wo aus die legendäre Shimla-Bahn startet, nehmen wir den morgendlichen "Shatabdi-Express" (einen klimatisierten Tages-Qualitätszug). Wir erhalten Morgentee und ein reichliches Frühstück serviert. Zeitungen liegen auf. Langsam fährt er aus dem Bahnhofsbereich, in dem viele Menschen, manchmal auch Kühe, auf den Gleisen sind. Leider sind täglich Opfer zu beklagen, Menschen, die auf Gleisen und Bahnanlagen erfasst werden oder von Zügen fallen, da sie sich außen anhalten. Die Türen der Züge sind in der Regel offen, die luftigen Plätze besonders in der heißen Jahreszeit sehr begehrt. Mit dem gleichen Zug fahren wir nach unserem Ausflug nach Shimla auch wieder nach Dehli zurück.

Die Schmalspurbahn Kalka-Shimla liegt im Nordwesten Indiens und hat eine Spurweite von 76,2 cm. Sie weist eine Streckenlänge von 96 km auf und überwindet einen Höhenunterschied von 1.420 m. Bei der 5-6stündigen Fahrt werden 864 Brücken, 102 Tunnels, 919 Kurven, sowie 18 Bahnhöfe durchfahren. Shimla war in der englischen Periode Sommerresidenz der Kolonialregierung und die Bahn besonders wichtig für den Transport von Personen und Gütern. Die Bahnhöfe machen einen gepflegten Eindruck und sind vorbildlich beschriftet. Die Züge bestehen in der Regel aus einer Diesellok und bis zu 6 Wagen. Wir fahren mit dem "Himalayan Queen"-Express (normale Sitzwagen, ohne Bordservice). Es gibt auch noch den luxuriöseren "Shivalik Deluxe Express" (mit Bordservice). Wir sind auch dem Schienenbus begegnet und können in Shimla die Abfahrt eines Sonderzuges für ein englisches Spezialreisebüro für Eisenbahnfreudne mit einer Dampflok beobachten. Die Kalka-Shimla-Bahn wurde in das Weltkulturerbe der UNESCO aufgenommen.

Von Dehli nach Jaipur und von dort nach Agra fahren wir mit Bus, aus organisatorischen Gründen. Die Fahrt von Dehli nach Jaipur dauert mit dem Zug nur halb so lang, und es kommen moderne Doppelstockzüge zum Einsatz.

Die nächste Bahnfahrt isteine Nachtfahrt mit dem "normalen" "Maghad"-Expresszug von Agra bis Mughal Serai, einem Bahnknotenpunkt in der Nähe von Varanasi (Benares). Unser Gepäck wird von Trägern auf dem Kopf transportiert. Der Zug hat eine Stunde Verspätung, das sei üblich, weil sich auf der Strecke Dehli - Agra eine sehr dichte Zugfolge ist.

Etwas gewöhnungsbedürftig sind die Ratten, die den Bahnhof und die Warteräume bevölkern. Wir beziehen unsere Kojen in dem Liegewagen mit 2 Liegen übereinander (4 Liegen quer, 2 Liegen längs am Gang, die Waggons sind ja breiter als bei uns) und lassen uns in den Schlaf wiegen. Der Zug läuft überraschenderweise durchwegs ruhig, was auf ein gutes Gleis schließen lässt, er erreicht eine Spitzengeschwindigkeit von 110 km.

Ein Netz von Quaitätsnachtzügen verbindet seit einigen Jahren die großen Zentren des Landes mit Dehli. Von Maghal Serai nach New Jalpaiguri fahren wir mit solch einen roten "Raidhani-Express", der Dehli und Dibrugarh im äußersten Osten des Landes verbindet. Es gibt zwei europäische und zwei orientalische Toiletten und einen Brunnen zum Sich-Waschen. Im Zug sind die Mahlzeiten inbegriffen. Sie werden frisch im sog. "Pantry-Car", einem Küchenwagen, gekocht und auf einem Tablett in Aluminiumschälchen am Platz serviert.

Den Abschluss der Reise bilden zwei Fahrten auf der "Darjeeling-Bahn". Diese Schmalspurbahn (Spurweite 2 Fuß = 61 cm), wurde um 1880 gebaut. Sie überwindet auf 86 km einen Höhenunterschied von 2.000 m und braucht hierfür ca. 6 1/2 Stunden. In der Monsunzeit  wurden vor einigen Jahren zwei Gleisabschnitte weggespült - und erst kürzlich konnte der Verkehr wieder auf einem davon aufgenommen werden. An der Behebung der weiteren Schäden wird gearbeitet und noch heuer soll die Strecke wieder ganz durchgehend befahrbar sein. Unser Ehrgeiz war, so viel als möglich von der Strecke zu befahren und in Zusammenarbeit mit dem indischen Reisepartnern gelingt es, das Programm soweit umzustellen, das eine zweite Fahrt möglich wird.

.Am ersten Tag befahren wir so die Strecke Kurseong - Ghom, am zweiten Tag die Strecke von Sukna bis kurz vor Tindharia. Dort machen Anwohner darauf aufmerksam, dass das Gleisbett unterspült ist und der Zug hält an. Es wird beraten, was zu tun ist. Den Abschnitt dennoch ohne Passagiere befahren? Wir gehen das letzte Stück zum Bahnhof zu Fuß und wissen nicht, ob und wann der Zug die Fahrt fortgesetzt hat.

Die Personenzüge bestehen in der Regel aus einer Diesellokomotive und drei Waggons. Dampflokomotiven gibt es für die Touristikzüge Darjeeling - Ghom und für Sonderfahrten. Spektakulär ist die Streckenführung. Die Strecke besteht fast nur aus Kurven und verläuft längs der Überlandstraße, welch sie unzählige Male überquert. In den Dörfern fährt die Bahn eng an Geschäften und Wohnungen vorbei. Alles zum Greifen nahe. Auf Gegenzüge wird in Ausweichen abgewartet, wobei der Zug auf ein abzweigendes Nebengeleis zurückgesetzt wird. Bei einer solchen Kreuzung war gerade Markt auf den Schienen. Früher wurde auch der berühmte Tee aus der Region mit der Bahn verfrachtet, heute hat die Bahn außer Schülerverkehr vor allem touristische Bedeutung.

Am zweiten Tag starten wir in Sukna, ein Bahnhof, er schön renoviert worden ist (die anderen Bahnhöfe sollen nun folgen). Im Bahnhof befindet sich in den ehemaligen Warteräumen auch ein nett eingerichtetes Museum.

Besonders interessant sind bei der Darjeelingbahn die Spitzkehren, bei denen der Zug im Zickzack große Höhenunterschiede überwindet. Der Zug fährt in ein Stumpfgleis, die Weiche davor wird umgelegt, der Zug ändert die Fahrtrichtung, wird also bis zur nächsten Ebene hinaufgeschoben. Insgesamt haben wir drei Spitzkehren durchfahren, wirklich eine sehr interessante technische Einrichtung.

Es ist zu hoffen, dass bald auch das restliche Teilstück der Bahn wieder in Betrieb geht und durchgehende Züge wieder möglich werden. Das ist nämlich Bedingung, dass die Darjeeling-Bahn Weltkulturerbe bleibt. Die Bahnhöfe sollen weiter saniert werden und zusätzliche Züge das Angebot erweitern.

Es war eine sehr gelungene Reise mit einem ausgeklügelten Programm. Zu danken ist:

  • dem Präsidenten des Vereins, Walter Weiss für das Ergreifen derInitiative
  • unserer Reiseplanerin Irmgard Häufler-Vent
  • dem Hauptreiseleiter Hanumant Singh, der in sehr gutem Deutsch uns mit viel Engagement uns Indien nahegebracht hat
  • den örtlichen Reiseleitern, Busfahrern, Taxichauffeuren, Rikschfahrern, die uns auf der Fahrt begleitet haben.
  • und nicht zuletzt den Mitgliedern der Reise, die für gute Stimmung gesorgt haben.

Dr. Herbert Kaserer

 

 

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