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Mit vielen Eindrücken aus Portugal zurück
Der Verein Freunde der Eisenbahn unternimmt seit vielen Jahren Bahnerlebnisreisen für Mitglieder. Heuer war Portugal Ziel einer 11-tägigen Reise. Zehn Mitglieder machten sich auf den Weg. Geleitet wurde die Reise wie schon in vergangenen Jahren von Ferdinand Rainer, Reisebegleiter war Jonas Werth von Primus Reisen, der auch das ambitionierte Programm ausgearbeitet hat.
Nun wieder zurück gilt es aus den vielen und intensiven Eindrücken ein kleines Potpourri zusammenzustellen.
Im Lande bewegte sich die Gruppe überwiegend mit Bussen und Bahnen, erstens um nachhaltig zu reisen und weiters, um zu sehen, wie andernorts der öffentliche Verkehr organisiert ist. Das Programm war sehr ausgeklügelt und anspruchsvoll. Wir wechselten oft mehrmals am Tag die Verkehrsmittel und bezogen ein Hotel oft nur für eine Nacht. Gemeinsame Essen fand in der Regel nur am Abend statt, zu Mittag gab es meistens Freizeit, die zum Essen oder für Erkundungen genutzt werden konnte. Portugal ist ein Kulturland sondergleichen, mit faszinierenden Landschaften, einer reichhaltigen Geschichte. Davon künden unzählige Denkmäler und Sehenswürdigkeiten. In diesem Bericht spielen die Bahnerlebnisse die Hauptrolle, das Kulturprogramm wird nur gestreift.
Erste Station war die im Norden des Landes gelegene Hafenstadt Porto am Atlantik, unvergesslich mit seinen Brücken über den Douro-Fluss und den auf diversen Anhöhen sich erstreckenden Stadtteilen. Porto hat ein weitläufiges Netz von Metrotramlinien. Eine führt über die mächtige Stahlkonstruktion Ponte Dom Luis I, ein Wahrzeichen der Stadt. Die Brücke hat mehrere Ebenen, nahe der untersten ist die Weinkellerei Burmester gelegen, in der wir uns den Portwein-Anbau erklärt bekamen und Kostproben genossen. Wir fuhren mit einer der letzten verbliebenen Straßenbahnlinien zum Straßenbahnmuseum von Porto. Eine Reihe historischer Fahrzeuge gibt Zeugnis von dem einst weitverzweigten Netz und der Stromversorgung. Ein Schmuckstück besonderer Art ist der Kopfbahnhof Saõ Bento, einst der Hauptbahnhof der Stadt, jetzt bedient von Regionalzügen, zum Hauptbahnhof hingegen wurde der Durchgangs-Bahnhof Campanhã ausgebaut. Die Eingangshalle von Saõ Bento ist großflächig mit kunstvollen blauen Azulejos (ca. 20.000 bemalte Kacheln) geschmückt. Motive sind besondere Ereignisse der portugiesischen Geschichte und Bahnmotive. Wir sollen noch viele Bahnhöfe mit Azulejos kennenlernen!
Von den Anlegestellen der Doppelstadt Vila Nova de Gaia startete unser Flußschiff zur Kreuzfahrt auf dem Rio Douro. Am Kai ankern eine Reihe von "Rabelo", Booten, auf denen die Trauben angeliefert wurden. Der Portwein lagert hier in den Kellereien noch Jahre. Die Flußlandschaft ist traumhaft schön. Unzählige Weingüter ranken sich an den Uferhügeln empor. Der Fluß meandert zuweilen und die Fahrt durch die Schleusen ist ein Erlebnis. In Peso da Régua beziehen wir unser Hotel, herrlicher Blick über das Douro-Tal vom Zimmer aus. Im Bahnhof wartet der Comboio historico do Douro auf uns, eine historische Zuggarnitur mit hölzernen Waggons und Zustieg über Balkone an den Enden. Eine über 100 Jahre alte Henschel-Dampf-Lok ist vorgespannt. Ein netter Junge von schätzungsweise 9 Jahren darf als Assistent fungieren, auf der Lok und beim Wasserfassen. Beim Einstieg erhält man ein kleines Fläschchen Portwein und Bonbons geschenkt und die Fahrt wird von einer lokalen Folkloregruppe musikalisch begleitet. Wir fahren durch das Alto-Douro-Tal bis zur Station Tua. Dort gibt ein Heimatmuseum Aufschluss über die wirtschaftliche Entwicklung, welche durch die Bahn ermöglicht wurde. Leider ist von dem Schmalspurnetz, das hier einmal die Region erschlossen hat, nichts mehr übrig geblieben. Es gibt noch eine funktionierende Drehscheibe und die Lok kann gewendet werden. Dann geht es wieder zurück nach Regua, unterwegs Halt und Zugkreuzung in der malerischen Station Pinhão mit wunderschönen Azulejos.
Am nächsten Tag, dem 5. der Reise, fahren wir mit dem Regionalexpress in typischen, mittlerweile auch schon antiken Schindler- und Inox-Waggons die Douro-Linie nach Porto Campanhã und von dort weiter zum Atlantikstädtchen Aveiro. Der alte Bahnhof dient als Kulturzentrum und besticht wieder einmal durch herrliche Azulejos. Im Bahnhofsneubau hingegen finden sich aktuelle Kunstwerke. Aveiro ist durch seine Kanäle und Salinen bekannt. Zur Abwechslung nehmen wir den portugiesischen Premiumzug Alfa Pendular, einen italienischen Pendolino, dessen Neigetechnik in den Kurven spürbar ist. Die altehrwürdige Universitätsstadt und ehemalige Hauptstadt Coimbra ist das heutige Tagesziel. Die Häuser der Stadt und das Universitätsgelände am Hügel erstrahlen in der Abendsonne.
Vom Bahnhof Coimbra B nehmen wir am Tag 6 den Regionalzug nach Caldas da Rainha. Der Hauptbahnhof von Coimbra ist für uns ungünstig gelegen, wir haben ihn aber am Vorabend besucht und gewürdigt. Ziel ist das malerische Städtchen Obidos, auf einen Hügel gelegen und vollkommen von einer Stadtmauer umgeben. Dort gibt es zwar einen Bahnhof, doch unser Reisebegleiter Jonas hat herausgefunden, dass man mit dem Linienbus näher zum Stadttor hinaufgelangt. Etwas gewagt ist die Begehung der Stadtmauer, denn es gibt kein Geländer und ein Sturz in die Tiefe wäre fatal. Wir durchwandern farbenfrohe, blumengeschmückte Gässchen. Zurzeit prägt gerade das Literaturfestival Fólio den Ort und wir probieren Ginjia, einen Kirschlikör, der aus kleinen Schokoladetassen getrunken wird. Wieder ist eine Zugfahrt angesagt. Unser nächstes Ziel: Nazaré (erreichen wir per Zug über Valado dos Frades, dann weiter mit Bus). Bekannt ist Nazaré wegen des breiten Strandes und seiner riesigen Wellen auf der Nordseite, die Surfer aus aller Welt anziehen (an diesem Tag hatten sie Pause). Mit der Standseilbahn erreichen wir die Oberstadt mit dem Santuário de Nossa Senhora da Nazaré. Von oben hat man eine wunderbare Sicht auf Strand und Unterstadt in der Abendsonne.
Am heutigen 7. Tag holen uns Miettaxis ab, denn wir haben viel vor und diese Orte wären mit Öffis nur umständlich zu erreichen. Wir machen Halt in Batalha (d.h. "Schlacht", eine beachtliche Klosteranlage und nationale Gedenkstätte zur Erinnerung an die Erlangung der Selbständigkeit von Portugal im 14. Jahrhundert).
Nächster Halt ist im Wallfahrtsort Fátima mit seinem groß angelegten Platz und der Kathedrale, welche annähernd 9.000 Menschen fassen kann. Gelegenheit, die eine oder andere Kerze anzuzünden.
Es folgt der Besuch des Nationalen Portugiesischen Eisenbahnmuseums in Entroncamento, einem Bahnknotenpunkt Das Museum liegt auf dem Gelände eines ehemaligen Ausbesserungswerkes und umfasst mehrere Gebäude, darunter auch ein Rundhaus mit Drehscheibe, will sagen eine Lokremise vollbestückt mit historischen Dampflokomotiven. Der erste Zug in Portugal fuhr 1856. Die Portugiesische Bahn hat ein Streckennetz von 2.600 km auf Breitspur (1.668 mm). Zahlreiche Objekte aus allen Bereichen des Eisenbahnwesens illustrieren die die Geschichte der portugiesischen Eisenbahn. Herausragend sind Teile des portugiesischen Hofzuges aus dem 19. Jahrhundert und der Präsidentenzug aus dem 20. Jahrhundert. Erinnert wird auch an legendäre Expresszüge wie an den legendären und luxuriösen Sudexpress (Paris-Lissabon/Porto) oder an den Lusitania-Express (Madrid-Lissabon). Für den Eisenbahnfreund ist der Besuch ein besonderes Highlight. Letzte Etappe dieses Tages, per Kleinbus: auf nach Lissabon!
Wir beziehen für vier Nächte unser Hotel im Zentrum nahe dem Rossio-Bahnhof. Wir erkunden Lissabon zunächst mit der modernen Straßenbahn. Begleitet werden wir von einer Stadtführerin. In Belém-Viertel besuchen wir das Hieronymus-Kloster, den Turm von Belém (eines der Wahrzeichen) und das Denkmal der Entdeckungen. Es folgt eine einstündige Fahrt mit einer gemieteten Remolado-Straßenbahn durch die engen Gassen der Altstadt. Diese Straßenbahnen wurden zwischen 1935 und 1940 gebaut und haben eine Spurweite von 90 cm, es gibt noch 45 davon, die meisten in Gelb-Weiß, jene für die Stadtrundfahrt (so wie unsere) in Weiß-Rot gestrichen. Befahren werden noch 5 Linien, davon die legendäre, bei den Touristen beliebte Linie 28E. Unsere Straßenbahn arbeitet sich regelrecht an den Steilstrecken zum Bairro Alto ab und streift an manchen engen Stellen fast die Häuserfront. Bei Talfahrten verlassen wir uns auf die Bremsen. Wir steigen an der Portas do Sol aus, genießen den bezaubernden Blick auf die Altstadt Alfama und die im Hafen davor liegenden gigantischen Kreuzfahrtschiffe. Dann flanieren wir, Treppen hinabsteigend, durch die Gäßchen der Alfama, kommen schließlich an der Kathedrale vorbei und treffen unerwarteterweise auf den Heiligen Antonius von Padua (hier: von Lissabon). Der heilige Antonius ist der Schutzpatron von Lissabon und vermutlich hier geboren. Lissabon erstreckt sich über sieben Hügel und wir haben noch Zeit, zwei weitere Kuriositäten des Nahverkehrs auszuprobieren, nämlich eine der drei Standseilbahnen, bei denen das Seil in der Straße versenkt ist. Der Ascensor da Glória bringt uns wieder ins Barrio Alto. Der nicht unweit gelegene Elevador de Santa Justa ist ein besonderes technisches Meisterwerk: ein kunstvoll gestalteter Metallbau, 45 Meter hoch. In einer wunderschön mit Holz vertäfelten Kabinen mit Fenstern und Messingbeschlägen gleiten wir wieder hinunter in unser Stadtviertel Baixa.
Am 9. Tag steht ein Ausflug auf dem Programm: Wir fahren frühzeitig mit dem Regionalzug vom nahegelegenen Bahnhof Rossio nach Sintra und anschließend mit dem Bus hoch zu einem extravaganten, bunten Schloss, dem Nationalpalast Pena, das als Anregung für Neuschwanstein gedient haben soll. Nach einem Aufenthalt im schmucken Städtchen Sintra besteigen wir die historische Straßenbahn "Sintra-Atlantico". Wir haben einen Sonderwagen, der sich quietschend Richtung Atlantik bewegt. Gar einige Male muss der Adjutant des Fahres die Stromabnehmerrolle wieder einfädeln. An der Endstation in Praia da Macas erwartet uns ein Naturschauspiel, nämlich eine besonders starke Brandung mit an den Klippen hochspritzender Gischt. Zurück mit der Straßenbahn nach Sintra und mit der S-Bahn nach Lissabon.
Wieder haben wir Fahrten mit den Öffis auf dem Programm (10. Tag). Vom Bahnhof Cais do Sodre bringt uns die S-Bahn nach Cascais, einer Küstenstadt ca. 25 km westlich von Lissabon. Es wurde im 19. Jahrhundert Sommerresidenz der Könige. Daran erinnern prächtig gestaltete Villen. Auch wegen seiner Sandstrände und der Küstenpromenade ist Cascais berühmt. Als wir die Stadt besuchten, rüsteten sich die Athleten und die Stadt für das Ironman-70.3-Event vor. Eine besondere sportliche Herausforderung: 1,9 km Schwimmen, 90 km Radfahren und 21,1 km Laufen. Der Linienbus bringt uns nach Cabo de Roca, das ist der westlichste Punkt des europäischen Festlandes. Den Leuchtturm dort gibt es seit 1772. Auf dem Gedenkstein die Worte des Nationaldichters Luís de Camões: "Hier… Wo die Erde endet und das Meer beginnt …". Zurück mit Bus und Bahn via Sintra. Abendessen mit typischer melancholischer Fado-Musik.
Den letzten Tag verbringen wir mit dem Besuch Oceanário de Lisboa auf dem ehemaligen Expo-Gelände. Es ist das größte überdachte Meeresaquarium Europas und beherbergt ca. 12.000 Tiere. Das zentrale Becken erstreckt sich über zwei Stockwerke und fasst 5 Millionen Liter Salzwasser. Ebenfalls auf dem Gelände der Expo '98 liegt der Bahnhof Estação do Oriente, als Eingangstor besonders großzügig gestaltet. Interessant sind insbesondere die Stahlbetontragwerke und die Dachkonstruktion. Entworfen hat diesen Bahnhof der Stararchitekt Santiago Calatrava, der in Italien unter anderem den Bahnhof Mediopadana bei Reggio Emilia gestaltet hat. Hier halten auch die Fernzüge Richtung Süden, die über die Hängebrücke des 25. April den Tejo überqueren. Früher war ein Übersetzen mit der Fähre vom Comércio-Platz im Herzen der Altstadt zum südlichen Fernbahnhof Barreiro nötig.
Haben wir nun alle Lissaboner Bahnhöfe? Nein, einer fehlt noch, nämlich der Kopfbahnhof Santa Apollonia, ebenfalls für Fernreisezüge, nach Norden. Zwar nicht im Programm, haben die Bahnfans in der Gruppe ihn dennoch aufgesucht. Bis zur Corona-Pandemie konnte man von hier aus nach Madrid und bis nach Paris gelangen. Wegen der schlechten Wirtschaftslage sind die Pläne, Portugal mit dem spanischen Hochgeschwindigkeitsnetz zu verbinden, leider auf Eis gelegt.
Eine letzte Zugfahrt bringt uns zum Flughafen, in München werden wir vom Silbernagl-Bus abgeholt. Wir haben sehr intensive Tage erlebt und dabei sehr viel erfahren, über Land und Leute, die Geschichte, aber auch über die Bahn und den Öffentlichen Nahverkehr in Portugal. Zum Abschluss soll noch erwähnt werden, dass alle von uns genutzten Verkehrsmittel zuverlässig und pünktlich waren. Nur einmal wurde in der Früh ein Zug etwas verspätet bereitgestellt. Also ein Lob und eine Anerkennung an all die vielen Akteure im Verkehrssektor, die am Gelingen unserer Reise beigetragen haben.